
Der goldne Topf – Ein Gastbeitrag
E.T.A. Hoffmann – Der goldne Topf
Ein Gastbeitrag von Ann-Sophie*

Ein Meisterwerk eines Meisters
Der goldne Topf gilt wohl als das erfolgreichste Werk von E.T.A. Hoffmann, welches 1814 veröffentlicht wurde. Durch das Märchen konnte Hoffmann seinen Schriftstellerruhm festigen, die meisten der namhaften Literaturkritiker und Rezensionisten feierten ihn. Eine der Gegenstimmen kam von Wolfgang von Goethe, obwohl er das Werk erst Jahre später zu Gesicht bekam.
Phantastische Märchen
Wie in der Epoche der Romantik üblich, ist Hoffmanns Märchen auf den Motiven des Wundervollen, des Phantastischen und der Sehnsucht aufgebaut. Der Autor zeichnet zwei verschiedene Welten, die für den Hauptcharakter Anselmus zusammenprallen: der bürgerliche Alltag und das wundersame Atlantis.
Verhängnisvolle Prophezeiungen
Der junge Student Anselmus ist tollpatschig und ungeschickt. So passiert es, dass er Äpfel und Kuchen einer alten Frau auf dem Marktplatz umstößt, die ihm daraufhin wütend hinterherbrüllt: „Ins Kristall bald dein Fall – ins Kristall!“
Später soll der junge Mann erfahren, dass das Äpfelweib ihm nicht gedroht, sondern lediglich eine Prophezeiung gemacht hat. Aber da sie ihm Angst einflößt, flieht er und wird auf einen Holunderbusch aufmerksam, in dem drei goldgrüne Schlangen singen. Eine Schlange schaut ihn mit ihren blauen Augen an und er verliebt sich in sie. Das Problem: sie verschwindet und lässt ihn, den Holunderbaum schüttelnd und anschreiend, zurück.
Ein ungewöhnlicher Wandel
So wird Anselmus‘ Leben Stück für Stück außerordentlicher und seltsamer. Von einem Freund empfohlen, tritt er eine neue Arbeit an. Sein Arbeitgeber Archivarius Lindhorst ist Zauberer und vertraut dem jungen Mann an, dass die drei Schlangen seine Töchter sind, die Blauäugige heißt Serpentina. Archivarius wurde aus seiner phantastischen Heimat Atlantis verbannt und kann nur dorthin zurück, wenn seine Töchter geheiratet haben. Doch um Serpentina zu heiraten, muss Anselmus sich erst als würdig erweisen.
Verzerrung der Realität
Zudem zerren und buhlen die Alltagsrealität und die phantastische Welt um Anselmus. Die beiden Welten werden als gegensätzlich dargestellt. Der Alltag wird als negativ und öde und die phantastische Welt als bunt und willkommen gezeichnet. Doch nichtsdestotrotz werden die Menschen, die in der Alltagsrealität verweilen, nicht dafür abgestraft, nach weltlichen Besitztümern oder bürgerlicher Liebe zu streben. Veronika hat ein Auge auf Anselmus geworfen, da er ihr ein gutes Leben bieten kann. Als sie einsieht, dass er Serpentina liebt, heiratet sie einen anderen Mann, der ihre Vorstellungen von Bürgerlichkeit und Wohlergehen erfüllt. So werden Anselmus im wundersamen Atlantis und Veronika in der eigentlich öden Alltagsrealität glücklich, sie wird vom Autor also nicht dafür abgestraft, dass sie sich für die bürgerliche Welt entschieden hat.
Bruch mit den Traditionen
Der goldne Topf zählt als Märchen und trägt sogar den Untertitel Ein Märchen aus der neuen Zeit. Trotzdem bricht Hoffmann mehrmals mit den typischen Gattungsmerkmalen. So beginnt er nicht mit dem altbekannten „Es war einmal…“, sondern mit „Am Himmelfahrtstage, nachmittags um drei Uhr, rannte ein junger Mensch in Dresden durchs Schwarze Tor…“. Diese genaue Spezifizierung von Raum und Zeit wird man bei den Grimmschen Volksmärchen vergeblich suchen.
Zudem ist Anselmus nicht der typische Held: er ist tollpatschig und ungeschickt, er fällt vor Schreck in Ohnmacht und wird von dem Erzähler als Melancholiker bezeichnet.
In verschiedenen Interpretationen ist er sogar ein Rauschgifter, Säufer und Selbstmörder. Atlantis hingegen steht für den Wahnsinn und das Jenseits. Doch egal, wie man die Welten deuten möchte, die Bindung zwischen dem realen Alltag und der phantastischen Welt ist gegeben und sie sind unzertrennbar miteinander verwoben.
In schwieriger Sprache und verschlungenen Sätzen, schafft Hoffmann es, die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, Wundersamen und Realistischen verschwimmen zu lassen. So, als wäre die phantastische Welt nur einen hauchdünnen Schleier von uns entfernt. Aber vielleicht ist sie das ja auch – denn wenn wir zwischen den Zeilen eines Buches versinken, nimmt uns die Welt des Wunderbaren sanft in ihre Arme und lässt uns dort ruhen.
*Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ann-Sophie für diesen großartigen Gastbeitrag und die Auswahl dieses interessanten Buchs!
**Umschlaggestaltung von Thomas Schultz-Overhage unter Verwendung des Bildes: Fotografie von Tim Tempelhofer, Türknauf des Stahl’schen Schwesterhaus in Bamberg, 2015
Beitragsbild: Bild von Free-Photos auf Pixabay


Ein Kommentar
Winfried J
Hallo liebe Ann-Sophie 🤗
Vielen Dank für Deinen wunderbaren Gastbeitrag 👏👍 Ich habe ihn gerade in aller Ruhe gelesen und sofort große Lust bekommen,dieses Buch zu lesen.
Glückwunsch, ich kannte dieses Märchen tatsächlich noch nicht. Ein echter guter Tipp 👍
Von E.T A. Hoffmann kannte ich bisher nur : Der Sandmann und Die Elexiere des Teufels ( und das ist schon etwas länger her 🤭)
Ich bin ein großer Freund von Märchen und im Gegensatz zur Blog-Inhaberin 😉 auch ein Fan von Fantasy.
Desweiteren war das Zeitalter der Romantik immer eine meiner Lieblings Epochen. Auch die Malerei oder Musik dieser Zeit spricht mich an ( Caspar David Friedrich, Novalis, Chopin oder auch jetzt in dieser Zeit ganz aktuell Charles Dickens mit seiner Weihnachtsgeschichte 🎄).
Nochmals Danke für die Anregung zum Buch und für mich auch Danke für die Wiederentdeckung der Romantik.😉
Liebe Grüße
Winfried 🤗