
Der große Gatsby – F. Scott Fitzgerald
Jay Gatsby weiß, wie man feiert: Woche für Woche finden sich Gäste der High Society auf seinem pompösen Grundstück ein, um dort ebenso pompöse wie rauschende Feste zu feiern. Doch so ausschweifend sein Lebensstil ist, so verschlossen ist er, was seine Person betrifft. Sein Nachbar, der Schriftsteller Nick Carraway, freundet sich mit ihm an und erfährt, dass es hinter der glitzernden Fassade nicht mehr so unbeschwert aussieht. Schon bald kommt es zu einer unausweichlichen Katastrophe.
Erstaunliche Entwicklung
Der Roman von F. Scott Fitzgerald erschien 1925 und galt zu Lebzeiten des Autors als Misserfolg. Heute jedoch, fast 100 Jahre später, zählt der Roman zu den weltweit meistgelesenen Büchern.
Die Goldenen Zwanziger
Wohl kaum ein literarisches Werk steht sinnbildlich so sehr für die Goldenen Zwanziger wie Der Große Gatsby. Ausschweifende Partys, Alkoholexzesse und Geld en masse – F. Scott Fitzgerald wusste, worüber er schrieb, frönte er doch selbst einen ähnlichen Lebensstil. Vielleicht gelang es ihm deshalb so gut, sich in die oberflächliche Welt der exaltierten Reichen hineinzuversetzen.
Ein Blick hinter die Kulissen
Schaut man genauer hinter die Kulissen und die schillernden Fassaden seiner Hauptfiguren, stellt man jedoch, ähnlich wie Nick Carraway, schnell fest, dass längst nicht alles Gold ist, was glänzt.
Die Ehe von Tom und Daisy Buchanan, zwei Figuren, die eine essenzielle Rolle in der Geschichte spielen, ist eine reine Farce und hat gleichzeitig eine recht zerstörerische Wirkung auf ihre Mitmenschen. Beide Ehepartner sind unehrlich zueinander, oberflächlich und egoistisch in ihrem Verhalten und schaffen es trotzdem (oder vielleicht sogar: gerade deswegen), ihre Pläne und Vorstellungen in die Tat umzusetzen.
Die Rolle des Jay Gatsby ist durch und durch tragisch und ist, ohne zu viel an dieser Stelle verraten zu wollen, der leibhaftige Ausdruck des Spruches: „Mehr Schein als Sein“. Sein Bemühen und sein Wunsch, die Zeit zurückdrehen zu können und die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen, scheitern an der harten Wirklichkeit der Gegenwart.
Und Nick Carraway, der Ich-Erzähler des Romans, verliert sich leider zu oft in seinem widersprüchlichen Bemühen, die dekadente Welt der Reichen zu karikieren und ihr gleichzeitig zugehörig sein zu wollen. Sein Verhalten zu Beginn der Geschichte lassen ihn schwer durchschaubar und desinteressiert wirken, seine Reaktionen und sein Verhalten gegen Ende des Romans machen ihn hingegen sympathisch, sodass die ganze Figur zusammenfassend eher fragwürdig und rätselhaft erscheint.
Visionär?
Insgesamt stehen die Hauptpersonen sinnbildlich für ihre Zeit, die nach außen hin und aus heutiger Sicht verlockend und leicht erscheint, bei näherem Betrachten jedoch dunkle Abgründe offenbart.
Zudem ist es gut möglich, dass F. Scott Fitzgerald beim Niederschreiben seines Romans über visionären Fähigkeiten verfügte, immerhin erinnert das tragische Ende seines Romans, das seine strahlende Welt zerfallen lässt, an das Ende der Goldenen Zwanziger, die Weltwirtschaftskrise.
Ein wahrer Klassiker
Obgleich seiner thematischen Schwere lässt sich Der große Gatsby großartig lesen. Die Sprache ist trotz verwobener Umschreibungen leicht und flüssig zu lesen, der ironische Unterton ist dabei äußerst unterhaltsam. Zudem sorgt der Spannungsbogen der Geschichte dafür, dass es sehr schwer fällt, das Buch aus der Hand zu legen.
Mich hat Der Große Gatsby sehr beeindruckt. Ein Meisterwerk, das nicht nur die legendenumwobenen goldenen Zwanziger einfängt, sondern auch Unterhaltungsliteratur mit vielmehr Tiefgang, als man erwarten würde, bietet. Eine absolute Empfehlung für alle, die Interesse haben, einen echten Klassiker zu lesen.
Beitragsbild: Bild von Oberholster Venita auf Pixabay

