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Bücher,  Klassiker

Schachnovelle – Stefan Zweig

Auf einer Überfahrt nach Buenos Aires trifft der amtierende Schachweltmeister Czentovic auf den unscheinbaren Dr. B. Als dieser den als unbesiegbar geltenden Czentovic überraschend schlägt, werden Erinnerungen an ein altes Trauma wach.

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Eigen- und Fremdwahrnehmung

Stefan Zweig schrieb die Schachnovelle im brasilianischen Exil; sein letztes Werk, bevor er 1942 Selbstmord beging. Wenige Monate nach seinem Tod erschien die Novelle erstmalig auf portugiesisch. Seitdem wurde sie über 1,2 Millionen Mal verkauft, mehrfach verfilmt und vertont und immer wieder als Schullektüre herangezogen.
Stefan Zweig selbst hielt jedoch nicht viel von seiner Schachnovelle. So befand er sie als „zu abstrakt für das große Publikum, zu abseitig in seinem Thema“.

Das Grauen des Naziregimes

Dabei kann davon kaum die Rede sein. Im Gegensatz gelingt es dem Roman, dem Leser die Schrecken des Nationalsozialismus nahezubringen.
Nach Dr. Bs erstem überraschenden Sieg sucht der Erzähler das persönliche Gespräch mit diesem und erfährt seine tragische Geschichte.
Von der Gestapo verhaftet und in Isolationshaft gefangen gehalten, stahl Dr. B in seiner Not ein Buch über Schach, um der drohenden geistigen Zermürbung zu entgehen.

„Aber die Tür blieb Tag und Nacht verschlossen, auf dem Tisch durfte kein Buch, keine Zeitung, kein Blatt Papier, kein Bleistift liegen, das Fenster starrte eine Feuermauer an; rings um mein Ich und selbst an meinem eigenen Körper war das vollkommene Nichts konstruiert. Man hatte mir jeden Gegenstand abgenommen, die Uhr, damit ich nicht wisse um die Zeit, den Bleistift, dass ich nicht etwa schreiben könne, das Messer, damit ich mir nicht die Adern öffnen könne; selbst die kleinste Betäubung wie eine Zigarette wurde mir versagt.“
Seite 64

Fortan beschäftigte er sich tagein und tagaus mit allen möglichen Schachzügen, spielte alle im Buch aufgeführten Schachpartien durch, bis er sämtliche auswendig konnte.
Eine Tätigkeit, die ihm später auch in seinen Schachpartien gegen Czentovic helfen wird.

Symbolik

Symbolisch kann das Schachspiel hier für die Auseinandersetzung mit dem Horror des Naziregimes betrachtet werden. Um der psychischen Folter zu entkommen, stürzt sich B in geistige Höchstleistungen. Die Haft kann er so überstehen, doch seine Psyche leidet: Die exzessive Beschäftigung mit Schach löst in ihm ein solches Trauma aus, dass ihm ein Arzt von jeglichem Schachspiel abrät. Wie so oft zieht sich die Seele Wunden zu, die sich noch lange nach der Wiedererlangung körperlicher Gesundheit im Heilungsprozess befindet.

Auch die Auseinandersetzung mit dem überheblichen Czentovic steht sinnbildlich für den Nationalsozialismus. Mittels taktischer Psychospielchen bemüht er sich, den ihm intellektuell überlegenen Dr. B einzuschüchtern. Wer genau „hinliest“, kann hier die Parallele zu den alten Werten Europas, die durch das nationalsozialistische Gedankengut erschüttert wurden, erkennen.

Eigenes Leid

Und wer noch genauer hinschaut, wird auch die Resignation, die zu diesem Zeitpunkt auch von Stefan Zweig Besitz ergriffen hatte, herauslesen. Intelligenz ist gegen Gewalt machtlos, es gibt keinen Ausweg. Nach Fertigstellung seines Romans nahm sich der Autor das Leben. Gut möglich, dass seine Erkrankung in seinem Schreibprozess eine erhebliche Rolle spielte.

Empfehlenswert!

Doch so traurig die Hintergründe der Schachnovelle auch sind, bei dem Roman handelt es sich um ein wichtiges Dokument Literatur- und Zeitgeschichte. Egal, ob man Interesse an Schach, an geschichtlichen Ereignissen oder an der psychologischen Entwicklung des Menschen hat, Gefallen dürften viele an diesem Roman finden.
Und sei es nur, um nach der Lektüre zu der notwendigen Erkenntnis zu gelangen, dass Einsamkeit Menschen zermürben kann und niemand allein gelassen werden sollte.

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Schachnovelle von Stefan Zweig erschien seit 1942 in verschiedenen Auflagen, zum Beispiel im Anaconda Verlag und kostet dort 4,95€.

Beitragsbild: Bild von FelixMittermeier auf Pixabay

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