
Love with Pride – Lea Kaib
Love with Pride. Stella möchte von vorne anfangen: Endlich nicht mehr die alte Stella sein, die unbeliebte Außenseiterin. Der Eintritt ins College kommt da gerade recht. Dort trifft sie auf Ellie, die so ganz anders ist als sie und deren Freundschaft Stella so viel gibt. Bald kommen tiefere Gefühle ins Spiel, die Stella Unbehagen bereiten: Kann sie ihre Gefühle zulassen? Oder werden ihre Ängste ihr im Weg stehen?

Die Macht der Medien
Wer sich ein wenig auf „Bookstagram“ (Buch-Fangemeinschaft auf Instagram) und „Booktok“ (Buch-Fangemeinschaft auf TikTok) auskennt, wird kaum um „New Adult“ (NA) herumkommen. Das Buchgenre mit den überwiegend pastellfarbenen Covern ist in den letzten Jahren (dank ebenjener Plattformen) zu unglaublicher Popularität gelangt und gehört zu den unumstrittenen Herrschern der Buchszene. Aufgrund der Thematiken und Merkmalen (Nina von Averylittlebook erklärt diese hier) sind die meisten Romane eher weniger mein Geschmack.
Love with Pride, eine Romanze mit zwei weiblichen Charakteren, hat jedoch mein Interesse geweckt.
Gelungen
Was zunächst einmal ins Auge springt, ist das Cover, das wie der Großteil der New Adult-Bücher schlichtweg schön ist. Besonders gefällt mir hier, dass die Farben an die lesbische Pride-Flagge angelehnt sind, was ich für außergewöhnlich gelungen halte. Auch wenn das Cover wie die meisten der NA-Bücher eher nichts sagend ist, verleiht diese Farbauswahl dem Buch etwas Individuelles.
Individuell ist auch das Thema Studentenverbindung, dem ich so noch nicht in Büchern begegnet bin. Auch wenn die Schilderungen darüber teilweise etwas langatmig ausfielen, fand ich diese Handlung doch recht spannend und definitiv innovativ.
Toll fand ich auch, dass sich dem Thema wlw* angenähert wurde und das zudem noch auf eine angenehm unaufgeregte Art und Weise. Anders als in anderen Büchern, die ich bisher gelesen habe, wird sich hier nicht über hunderte Seiten hinweg über Homosexualität den Kopf zerbrochen, sondern als ganz alltäglich angesehen. Das fand ich wirklich äußerst erfrischend!
Aber …
Leider konnte mich Love with Pride jedoch nicht auf ganzer Linie überzeugen.
Ellie als zweite Protagonistin war super interessant, aber leider viel zu wenig ausgebaut. Mehr, als dass sie laut und selbstbewusst ist und blaue Haare hat (was echt cool ist), hat man leider nicht über sie erfahren. Das ist sehr schade, denn Ellie ist die meiner Meinung nach spannendste Figur im Buch.
Auch andere Charaktere, wie Sue, kamen darüber hinaus viel zu kurz.
Die ständigen Wiederholungen über die immer gleichen Themen gingen mir irgendwann auf die Nerven. Stella findet Studentenverbindungen toll, Sue nicht. Stella ernährt sich vegan, alle anderen nicht. Und das ist alles offensichtlich so interessant, dass es immer und immer wieder durchgekaut werden muss (Wortwitz 😄😄). Ein Gespräch über das jeweilige Thema hätte vollkommen ausgereicht.
Stella, ach, Stella
Der Hauptgrund, warum mich Love with Pride nicht abholen konnte, ist jedoch Protagonistin Stella. Eigentlich ist sie eine Figur nach meinem Geschmack. Sie ist eher schüchtern, vernarrt in Bücher, geht nicht feiern, trinkt keinen Alkohol, macht sich gerne Gedanken über ihre Umwelt und zu ihren Lieblingsbüchern gehören Die unendliche Geschichte und Die Tribute von Panem.
„Bücher waren mein Ventil. Wenn mir die Realität mal wieder zu viel wurde, konnte ich in phantastische Welten und wundervolle Erzählungen abtauchen. Bücher waren meine papiernen Freunde. Seelentröster. Der beste Freund und die Schulter zum Anlehnen.“
Seite 132
Leider entwickelte sie sich nach und nach zu einer sehr anstrengenden Figur.
Mit sozialen Kontakten und gesellschaftlichen Ereignissen ist sie überfordert, was absolut nachvollziehbar wäre, würde sie ihre Mitmenschen nicht permanent damit irritieren und vor den Kopf stoßen. Sie ist nicht in der Lage, mit den ihr sehr wohlgesinnten Menschen offen zu kommunizieren, schweigt sich lieber aus, als ehrlich zu sagen, was sie beschäftigt, und wundert sich dann, wenn es zwischen ihr und Ellie kriselt.
Nicht jeder Mensch kann offen Konfrontationen entgegentreten, in Stellas Fall entstehen sie jedoch bloß aufgrund ihrer sturen Art. Dadurch werden Konflikte künstlich erzeugt, was leider absolut nicht glaubwürdig erscheint.
Ebenso unglaubwürdig sind viele von Stellas Handlungen. So wird sie nicht müde, ihre „sozialen Ängste“ zu betonen, ist dann jedoch in der Lage, die abstrusesten Aufgaben zu bestreiten. Sie ist durch und durch harmoniebedürftig und sorgsam darauf bedacht, bei ihren Mitmenschen gut anzukommen, flippt aber völlig untypisch für ihren Charakter aus, als Ellie ihre Hand nehmen möchte. Auch hier wieder: Ellie ist verwirrt, möchte mit ihr darüber sprechen, entschuldigt sich sogar, doch Stella schweigt stur vor sich hin.
Anstrengend sind auch die permanenten Hinweise auf ihre ach so furchtbare Vergangenheit, die ebenso künstlich aufgebauscht werden und bei ihrer Aufklärung am Ende vollkommen absurd erscheinen. Die Gründe, warum Stella so wenig Selbstbewusstsein hat und sehr vorsichtig ist, wirken leider nicht nachvollziehbar (besonders in Bezug auf ihr Verhalten während der „Ich möchte deine Hand halten“-Geschichte).
Beim Lesen drängte sich irgendwann in mir der Verdacht auf, dass Stella sich gut in der Opferrolle gefällt, weshalb der abrupte Persönlichkeitswandel zum Ende hin unglaublich plötzlich kam. Das ist sehr schade, denn Stella gefiel mir anfangs wirklich richtig gut.
Schwierig 🤔
Während sich auf den ersten 300 Seiten alles furchtbar zog, ging es am Ende dann plötzlich sehr schnell. Auch das fand ich sehr schade, denn man hätte durchaus mehr aus der Handlung machen oder sich zumindest für einen guten Mittelweg entscheiden können.
Gestört hat mich auch die Gendersprache, die ich in Romanen eher unangebracht finde. Auch ein paar andere Themen bezüglich Diversität fand ich nicht ganz so einfach: Warum muss Tradition automatisch schlecht sein? Und warum muss eine Schwesternverbindung plötzlich unbedingt für alle offen sein?
Fazit
Eigentlich fand ich Love with Pride nicht schlecht, die Idee und die Figuren gefielen mir, auch wenn sie entweder zu wenig oder zu übertrieben ausgebaut wurden.
Die Punkte, weshalb das Buch mich nicht überzeugen konnte, sind zwar durchaus nicht zu verachten, aber definitiv nicht so schwerwiegend, dass ich das Buch als „schlecht“ betiteln würde.
Ich würde es zwar nicht unbedingt zu meinen Favoriten zählen, kann mir aber gut vorstellen, den Roman noch einmal zu lesen.
Ein klassisches Drei-Sterne-Buch, das zwar nicht vom Hocker haut, aber dennoch ein paar entspannte Lesestunden bereitet 😊
Love with Pride von Lea Kaib erschien 2021 im Fischer Verlag und kostet 13,00€.
Beitragsbild: Patricia Román auf Pixabay
*Liebesgeschichte zwischen Frauen

