
Emma – Jane Austen
Emma 🌸
Emma Woodhouse ist jung, schön, äußerst wohlhabend und wenig daran interessiert, zu heiraten – und wohl auch wissend, dass sie es aufgrund ihres Vermögens nicht unbedingt muss. Viel interessanter ist es doch, andere zu verkuppeln! Besonders, wenn man mit einem so ausgesprochen genialen „Kuppel-Talent“ gesegnet ist. Ihre ehemalige Erzieherin hat sie bereits an den richtigen Mann gebracht, nun soll ihre Freundin Harriet an der Reihe sein. Doch alsbald nehmen ungeahnte Entwicklungen ihren Lauf.

Der Reifste
Jane Austens „reifster“ Roman wurde 1816 gedruckt und ist somit das letzte Buch, dessen Veröffentlichung die Autorin noch erlebte (Kloster Northanger/Northanger Abbey und Überredung/Persuasion erschienen posthum). Emma gilt heute als inhaltliches und stilistisches Meisterwerk Jane Austens und gehört neben Kloster Northanger und Überredung zu meinen Top 3.
Neben Stolz und Vorurteil ist es das bekannteste Werk.
Herausragend
Zu der vielgelobten Reife des Romans trägt zum einen Emmas Reifeprozess bei. Von allen Protagonistinnen Jane Austens ist Emma wohl diejenige, die die größte charakterliche Entwicklung durchläuft.
Ihre Leidenschaft, das Verkuppeln, ist anmaßend und richtet, wenn auch unbeabsichtigt, Chaos, Ärger und Leid an. Trotz ihrer Einbildung, eine gute Beobachtungsgabe zu besitzen, verkennt sie sich immer wieder in ihren Mitmenschen und schätzt sie immer wieder vollkommen falsch ein. Zudem neigt sie zu Hochmut und schießt nicht selten über das Ziel hinaus. Um zu ihrem Glück finden, muss sie ihren Hochmut und ihre Anmaßung ablegen und dafür unangenehme Situationen durchleben.
Ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Reife ist der stilistische Aufbau. Davon abgesehen, dass ich Emma am besten geschrieben finde, ist das Buch auch genial durchdacht.
Es ist sozusagen dreigeteilt und in jedem Teil wird sich Emma in einem Menschen, die hier noch nicht verraten werden sollen, erheblich täuschen.
In regelmäßigen Abständen wird eine neue Figur eingeführt (Harriet Smith, Emmas Schwester mit Familie, Jane Fairfax, Frank Churchill, Mrs. Elliot), sodass jeder Figur genügend Zeit und Raum gegeben wird, sich einzufinden.
Die Charakterdarstellung findet durch Gespräche und wörtlicher Rede statt, sodass sich jede Person selbst entweder empfiehlt oder blamiert, ohne dass die Autorin dazu etwas erklären muss.
Nicht einmal wird der Handlungsort verlegt, der ganze Roman findet ausschließlich im selben Ort statt. Dass dies beim Lesen kaum auffällt, ist der Genialität Jane Austens zu verdanken.
Ein sehr großer Pluspunkt von Emma sind die Rätselspiele. Diese finden zum einen als tatsächliche Rätselspiele statt, die sich die Charaktere gegenseitig stellen, und zum anderen im Hintergrund. All die vielen Geheimnisse der Bewohner Highburys werden bloß immer wieder angedeutet. Immer wieder sagt eine Figur etwas, was aufhorchen lassen könnte, immer wieder lassen sich Hinweise finden. Was erkennt Miss Bates, wenn sie es direkt vor ihren Augen hat? Wieso taucht Frank Churchill, der er es ganze zwanzig Jahre lang nicht geschafft hat, einmal zu Besuch zu kommen, so plötzlich in Highbury auf? All dies wird erst am Ende aufgelöst. Deshalb muss Emma unbedingt mehrmals gelesen werden, damit tatsächlich alle Andeutungen entdeckt werden können.
Emma!
Über die Protagonistin Emma sagte die Autorin selbst einst, dass sie eine Figur erschuf, die außer ihr wohl niemand sonderlich mögen wird. Ein wenig muss ich meiner Heldin Jane Austen da widersprechen. 😄
Gewiss, Emmas Verhalten zu Beginn ist anmaßend und unbedacht. Ihre Blindheit für die tatsächlichen Gefühle und Charaktere um sich herum ist manchmal kaum zu fassen und einige ihrer Entscheidungen unglaublich unüberlegt.
Sie ist definitiv keine kecke Elizabeth (Stolz und Vorteil) und auch keine Anne Elliot (Überredung). Sie ist hochmütig und glaubt sich den meisten Menschen ihrer Umgebung überlegen. Aber im Laufe des Romans zeigt sich, dass sie auch ganz anders kann. Sie versorgt ihre armen Nachbarn mit Essen und ihre Bemühungen um Harriet sind durchaus auch warmherzig. Dass sie über gesunden Menschenverstand verfügt, zeigt sich besonders in einer Schlüsselszene. Als sie auf dem verhängnisvollen Ausflug nach Box Hill einen unangebrachten Scherz über Miss Bates macht und Mr. Knightley sie dafür zurechtweist, erkennt sie ihren Fehler. Sie schämt sich, verbringt einen unangenehmen Abend mit ihren Schuldgefühlen und eilt am nächsten Morgen sogleich zu ihrer Nachbarin, um einen Entschuldigungsbesuch abzustatten.
Emma ist vielleicht eine etwas gewöhnungsbedürftige, eigenwillige Hauptfigur, aber definitiv eine, die das Herz am rechten Fleck hat und die bloß einen ganz natürlichen Entwicklungsprozess durchmachen muss.
Äußerst liebenswürdig!
Der letzte Aspekt, weshalb mir Emma so gut gefällt, sind die Nebencharaktere. Ich mag die furchtbar naive, unbedarfte Harriet, die vernünftige, bescheidene Jane und das sympathische Ehepaar Weston sehr gerne. Emmas hypochondrischer Vater ist durchaus unterhaltsam und die einfach schreckliche Mrs. Elliot eine Figur, die man gerne verabscheut. 😄
(Frank Churchill mag ich übrigens auch nicht sonderlich, er ist mir einfach zu leichtsinnig. Ohne zu viel von der Handlung verraten zu wollen, aber kommt ihm nicht einmal der Gedanke, dass der ein oder andere Scherz seinerseits etwas unangenehme Folgen für die ein oder andere Person haben könnte? Aaarrggh 🤦🏻♀️)
Meine liebste Nebenfigur ist aber Miss Bates, deren seitenlange Monologe („zu liebenswürdig von Ihnen“) einfach herrlich sind.
Und da Jane Austen in diesem Roman generell einen sehr heiteren Ton anschlägt, sind die ewigen Streitereien zwischen Emma und Mr. Knightley ebenso amüsant. Ich könnte mich einfach immer wieder an ihnen erfreuen 😄
Fazit
Da ich als Jane Austen-Fan jedes Buch von ihr liebe, wird es nicht sonderlich überraschend sein, wenn ich auch Emma nur empfehlen kann 😄
Besonders empfehlenswert ist es für all die, die es gerne heiterer und weniger melancholisch mögen. Denn auch wenn der Roman wie alle Werke der Autorin nicht ohne Gesellschaftskritik auskommt, ist es wohl doch derjenige, der am meisten „Stimmung macht“ und ein solches Lesevergnügen kann man sich durchaus mal gönnen 😄
Emma von Jane Austen erschien seit 1816 in vielen Ausgaben, zum Beispiel im Reclam Verlag und kostet dort 12,00€.
Meine Emma-Filmtipps: „Emma“ (1996) mit Kate Beckinsale, „Emma“ (2020) mit der tollen Anya Taylor-Joy und „Clueless“ (1995), eine der coolsten Roman-Adaptionen überhaupt.
Beitragsbild: Greg Montani auf Pixabay

