Bücher,  Klassiker

1984 – George Orwell

Big Brother is watching you: Winston Smith lebt in Ozeanien, einem totalitär regierten Staat. Als er sich in Julia verliebt, kommt der schon seit längerer Zeit zweifelnde Winston in Kontakt mit einer Widerstandsbewegung. Doch der Leitspruch des Staates kommt nicht von ungefähr.

Leute, habt Respekt 😄

Zugegeben, vor dieser Rezension hatte ich einen Heidenrespekt, weshalb ich mich lange Zeit nicht an eine getraut habe. 1984 ist meiner Meinung nach eines der besten, komplexesten, herausforderndsten, spannendsten und bedrückendsten Bücher, die ich bisher gelesen habe. (Diese Liste hätte ich noch ein wenig weiterführen können, ich möchte meine Leserschaft jedoch nicht langweilen 😄)

Der Roman von George Orwell erschien erstmals 1949 und zählt zu den berühmtesten Antiutopien der Weltliteratur. Schon mehrfach wurde das Werk verfilmt und zweifelsohne sind auch Menschen, die weder Buch noch Verfilmungen kennen, Auszüge daraus bekannt. Wer kennt sie nicht, die Fernsehshow „Big Brother“? Wer hat noch nicht über das „Schwarzweißdenken“ eines Nachbarn den Kopf geschüttelt oder nach Sätzen wie „Gestern habe ich die neue Staffel von Stranger Things literally durchgebingt. Kann jetzt schon relaten, warum die alle so feiern. Haste irgendwelche recommendations, die vielleicht bisschen ähnlich sind? Du stehst doch auf so creepy stuff, oder?“* den „Neusprech“ verflucht?
Ob gelesen oder nicht, der Roman von George Orwell hat Einfluss und das ist auch das große, vorherrschende Thema von 1984.

Eine düstere Welt

Es ist 1984. Oder so ungefähr, ganz genau weiß Winston Smith das nicht. Seit er sich erinnern kann – und Erinnerungen hat er nicht viele – lebt er in Ozeanien. Ein Staat, in dem Überwachung an oberster Stelle steht. Kinder bespitzeln ihre Eltern, überall ist der „Große Bruder“ gegenwärtig und selbst in der eigenen Wohnung ist Privatsphäre nicht gegeben. Tagsüber arbeitet Winston im Ministerium für Wahrheit. Seine Aufgabe ist es, Zeugnisse der Vergangenheit der Gegenwart anzupassen. Man könnte auch sagen: die Vergangenheit verfälschen, Geschehnisse umschreiben oder gar auszulöschen. Abends schreibt Winston Tagebuch (streng verboten!), aus dem inneren Bedürfnis heraus, der Zukunft ein eigenes Zeugnis zu hinterlassen.
Schon lange hegt er schwere Zweifel an der Vorgehensweise des Staates und als er Julia kennenlernt, sieht er sich in dem bestätigt. In einer Welt, die auf Lügen fußt, in der Menschen aufs penibelste kontrolliert werden, in denen Liebesbeziehungen nur dann erlaubt sind, wenn sie der Fortpflanzung dienen, geben sie sich gegenseitig Halt. Doch trifft das auch auf ihre anderen Verbündeten zu?

Politische Hintergründe

Als sich die englische Linke seinerzeit zunehmend dem Sozialismus der Sowjetunion annäherte, fürchtete George Orwell eine Ausbreitung totalitärer Regierungsformen. 1984 ist wie Animal Farm eine Kritik an der stalinschen Regierung und an Missständen, die Orwell auch in seiner eigenen Heimat erkannte.
Wenig überraschend wurde der Roman nach Erscheinen äußerst kontrovers diskutiert, zuweilen gar verboten. Doch auch, wenn sich George Orwell gegen Vorwürfe der Hetze aussprach, sind Parallelen zur Stalin-Ära nicht zu verleugnen.

Technischer Fortschritt?

Stilistisch ist 1984 eine Mischung aus Satire und Dystopie, die sowohl fantastische als auch realistische Elemente beinhaltet. Die beschriebene Zukunft wirkt erschreckend fremd und zugleich doch so vertraut. Und besonders faszinierend ist, dass sie aus heutiger Sicht noch vertrauter wirkt.
Erschien ein allzeit überwachender Fernsehbildschirm in den eigenen vier Wänden in den 1950er Jahren wie ein Horrorszenario, wird ein „Smart Home“ heute als technische Errungenschaft gefeiert.
Die endlose Präsenz des Großen Bruders wird in Winston Smiths Welt als äußerst bedrohlich empfunden.
Die sogenannte NSA-Affäre löste 2013 noch ein weltweites Beben aus. Doch nun, nur zehn Jahre später, wird KI in immer mehr Bereichen eingesetzt. ChatGPT tippt bereitwillig Hausarbeiten. Und Alexa und Siri sind jederzeit dazu bereit, Wünsche wie das Starten der Lieblingsmusik oder das Schreiben von Textnachrichten zu erfüllen.

Wahrheit

Das Thema Lügen ist allgegenwärtig und Misstrauen am Staat immer breiter gesät. Die einen schimpfen auf die Lügenpresse, die anderen auf das System und dazwischen wird übersehen, dass diese Phänomene schon immer in der Menschheitsgeschichte vorhanden waren.
Auch in dieser Hinsicht ist es faszinierend, George Orwells Bücher siebzig Jahre nach Erscheinen zu lesen.
Ebenso faszinierend bis hin zu erschreckend ist die Vorgehensweise des Ministeriums für Wahrheit, welches in heutigen Zeiten vertraut vorkommt.
Geschichtliche Ereignisse aus einer bestimmten Absicht heraus zu verdrehen, umzudeuten oder gar zu verfälschen, wird als Geschichtsklitterung bezeichnet. Solche Bemühungen lassen sich schon recht früh in der Historie finden (Dolchstoßlegende). Und auch zurzeit ist solch eine Vorgehensweise erschreckend präsent. So werden im rechten Spektrum Methoden der Holocaustrelativierung bis hin zur Leugnung angewandt, in der linken Szene Umdeutungen verschiedenartigen Belangen im Bemühen um politische Korrektheit. Und um noch mal auf die Technik zu kommen: Der Einsatz von KI kann in den nächsten Jahren eine ernsthafte politische Bedrohung werden, wie einige Beispiele bereits ahnen lassen.

Sprache

Ein weiteres wichtiges Element von 1984 ist die Sprache. Sprache als Instrument der Manipulation spielt eine große Rolle, sei es in Propagandasprüchen oder in Winstons Arbeit. Und auch in seinem Bemühen, Widerstand mittels Tagebuchschreiben zu leisten, wird die Bedeutung der Sprache deutlich.

Fazit 😄

Uff, ich habe es tatsächlich geschafft 😄
Wie ich eingangs erwähnte, hat mich 1984 sehr beeindruckt, wenn auch wirklich mitgenommen. Die Stimmung ist bedrückend-unheimlich und besonders das Ende hat mich fast schon fertiggemacht. Dennoch kann ich allen nur empfehlen, es wenigstens einmal zu lesen. Recht schnell wird man feststellen, dass sich in der Menschheitsgeschichte nicht viel ändert – und das kann entweder erschreckend oder auf absurde Weise beruhigend sein.

*Diese Frage habe ich tatsächlich genauso vor einiger Zeit mal gestellt bekommen 😄

„1984“ von George Orwell erschien seit 1949 in mehreren Ausgaben, zum Beispiel im Ullstein-Verlag und kostet dort 12,99€.

Beitragsbilder: Aurélien Dumont auf Pixabay

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert